Mit dem Pferdewagen in Irland Unterwegs

Vom 5. bis 15. Mai 2004 waren meine Frau Elisabeth und ich zusammen mit Stefan Valentin - ein früherer Zivi an der Blindenschule in Lebach, seiner Frau Hannah und ihren beiden Kindern Ronja (40 Monate) und Nils (20 Monate alt) auf Urlaub in Irland.

Wir sind am 5. Mai von Frankfurt abgeflogen und etwas vorzeitig kurz vor 21:00 Uhr in Dublin gelandet. Irland hat uns mit Regen empfangen - der einzige Regenschauer, den wir erleben sollten.

Mit einem Taxi sind wir dann in den Vorort Swords gefahren, wo wir ein Zimmer mit Übernachtung und Frühstück (Bed and Breakfast, abgekürzt b&b) reserviert hatten. Wir sind auch gleich ins Bett gegangen. Am nächsten morgen habe ich mich natürlich sehr über das "cooked breakfast" gefreut: Eier, Speck, kleine Bratwürstchen - englisches Frühstück eben, allerdings die schmackhafte irische Variante. - OK, wer unbedingt wollte, wie Elisabeth zum Beispiel, konnte auch "kontinentales Frühstück", also Brot und Marmelade sowie Cornflakes oder ähnliches haben. Ich habe mich jeden Tag für das warme Frühstück entschieden - und im Urlaub trotz viel Bewegung 1,8 kg zugenommen.

Nach dem Frühstück sind wir mit dem Taxi zum Hauptbahnhof von Dublin gefahren und haben den Zug nach Galway genommen. Um 12:25 Uhr sind wir dort angekommen. Mit dem Taxi wollten wir dann weiter zur Basis für die Rundreise mit dem Zigeunerwagen. Die Adresse hatte ich, auch wenn sie mir recht komisch vorkam. Wir wussten nicht, wie weit der Ort von Galway entfernt war. Dem entsprechend kannte sich der Taxifahrer am Zielort, Loughrea, Vorort Ballinakill, auch nicht aus. Zum Glück hatte ich ein Handy und die Telefonnummer vom Cartronhouse dabei, so dass Ann ihm den Weg erklären konnte.

Sie begrüßte uns mit einem kleinen Imbiss (Soup and Sandwich). Dabei konnten wir uns gleich davon überzeugen, dass ihr täglich frisch gebackenes Brot wirklich sehr lecker ist!

Danach konnten wir dann unseren Zigeunerwagen besichtigen. Er Bot Schlafplatz für 5 Personen und verfügte über einen Gaskocher, eine kleine Spüle und Schränke und Regale sowie zwei Klappbänke und einen Tisch. An Geschirr war fast alles vorhanden, was man brauchen könnte, sogar ein Korkenzieher. Nur einmal mussten wir uns einen Schneebesen ausleihen.

Da der Mensch, der die Wagen und Pferde verleiht, erst gegen Abend kommen wollte, konnten wir den Nachmittag für einen Besuch im nächstgelegenen Pub nutzen. Für den Hinweg brauchten wir 45 Minuten zu Fuß; wären wir zurück gelaufen, hätte Larry, der "Caravan"-Vermieter, länger auf uns warten müssen. Also holte er uns kurz entschlossen mit seinem Jeep (ein Zweisitzer!) ab. Elisabeth kam auf den Beifahrersitz, wir anderen saßen hinten auf der überdachten Ladefläche. In den nächsten Tagen sollten wir dieses Transportmittel noch öfter in gleicher Sitzordnung nutzen.

Larry gab uns die ersten Informationen über unsere Route und das fahren mit dem Zigeunerwagen. Stefan und Familie wollten meistens im Wagen übernachten, während Elisabeth und ich in b&bs schliefen.

Am Freitag brachte Larry dann Carlo, unser Pferd, ein großer, kräftiger Wallach - ein braves Pferd, wenn man von seiner "Eigenwilligkeit" und seinen ständigen Blähungen absieht, denen er freie Luft ließ!

Larry zeigte uns, wie das Pferd vor den Wagen gespannt wird, gab letzte Instruktionen und los konnte die Fahrt gehen.

Wir wussten schon, dass man sich mit einem solchen Gespann in einem guten Wandertempo fortbewegen würde. Die zurückgelegten Strecken sind also nicht sehr groß; außerdem sollte man sich aus versicherungstechnischen Gründen an die vorher vereinbarte Route halten. Und große Sehenswürdigkeiten würde es auf der Strecke nicht geben: Bei den Touren, die von der Cartronhouse Farm aus organisiert werden, kommt es mehr auf die Entspannung und darauf an, das wirkliche, ländliche Irland kennenzulernen.

Ich nutzte die Gelegenheit, mal wieder richtig zu wandern und lief fast nur neben dem Pferd her. Ein Seilende vom Zaumzeug hing genau so herunter, dass ich es in der Hand halten und so den Kontakt zu Carlo nicht verlieren konnte. Auch Elisabeth genoss gelegentlich dieses Vergnügen.

Larry hatte uns gesagt, dass Carlo die Wege gut kennt - einschließlich aller Abkürzungen. Das bewies das Pferd uns gleich am ersten Tag. Schon die erste Abbiegung, die er nahm, war eine Abkürzung. So kamen wir nicht, wie vorgesehen, gegen 17:00 Uhr sondern bereits um 20 vor 3 an der ersten Station an. Carlo hatte uns um fast die Hälfte der Strecke "betrogen".

Wir machten auf einem Bauernhof bei der Ortschaft Leitrim Station, der über 32 Kühe verfügt. Gerade für die Kinder war es toll zu sehen, woher die Milch kommt - und wir genossen die frische, allerdings schon gleich gefilterte Milch direkt vom Erzeuger!

Der Samstag war der wärmste Tag unseres Urlaubs: Die Sonne schien den ganzen Tag, und Elisabeth und ich holten uns leichte Sonnenbrände: Elisabeth an der Nase, ich an der Nase und an einer Stelle auf meinem Hinterkopf, von der böse Menschen behaupten, dass sich dort mein Knie durchdrückt. An diesem Tag legten wir die wahrscheinlich längste Fahrt zurück: von Leitrim über Abbey nach Gorteeny - ca. 25 km. Ich darf mit Stolz behaupten, dass ich den ganzen Weg gewandert bin. Diese Tatsache trug mir bei einigen Leuten, allen voran Larry, den Beinamen "Marathon man" ein. Larry erwartete uns am Ziel, weil er bei Carlo zwei Hufeisen auswechseln musste. Es hatte sich schon am Vortag gezeigt, dass ein Eisen völlig durchgelaufen war. Nun erkannte er, dass sogar zwei Eisen erneuert werden mussten.

Larry war immer da, wenn wir ihn brauchten. Wir hatten seine Handy-Nummer, so dass wir ihn anrufen konnten, wenn das erforderlich sein sollte. - Es wurde erforderlich, aber dazu später.

Untergebracht waren wir am Samstag bei einer Familie mit 90-jähriger Großmutter. Es war schön zu sehen, wie die alte Dame auflebte, als die Kinder in die Küche kamen.

Am Sonntag fuhren wir - wie immer - gegen 11:00 Uhr los. Unser Ziel war an diesem Tag Mount Shannon. Der Weg führte an einem See vorbei, dem Lough Alewnaghta. Die Karte mit der eingezeichneten Route hätte uns fast irre geführt; ein ortsansässiger Farmer machte uns sehr temperamentvoll auf den Irrtum aufmerksam. Er war verärgert, weil wir unserer Karte eher trauen wollten als ihm; aber ein Gespräch mit Larry konnte alles klären. Der Farmer, den Larry natürlich persönlich kannte, war im Recht. - Sorry, John Alan!

Diesmal konnten Elisabeth und ich nicht dort übernachten, wo das Pferd und der Zigeunerwagen abgestellt wurden. Man hatte im örtlichen Pub ein Zimmer für uns reserviert - und das war das Ziel, das auf der Karte eingezeichnet war. Natürlich brachte uns der Bauer, dem die Koppel gehörte, mit seinem Privatwagen ins Dorf und zurück, obwohl der Weg bequem zu Fuß auch nicht länger als 10 Minuten gewesen wäre.

Der Montag war relativ kühl , aber trocken. Hier zeigte Carlo wieder seine Eigenwilligkeit: Als wir nachmittags eine Pause einlegen wollten, er aber bereits das Ziel ansteuern wollte, weigerte er sich, ruhig stehen zu bleiben. Zunächst zierte er den Platz, wo wir rasten wollten, mit Äpfeln - was dem Appetit auf ein belegtes Brot nicht förderlich war; danach zerrte er immer wieder am Wagen, so dass wir unsere Pause schließlich im Fahren abhalten mussten.

Unser Tagesziel war Woodford, wo wir zweimal Station machen sollten. Auch hier gab es kein b&b bei der Koppel; Elisabeth und ich wohnten wieder im Cartronhouse. Ann's Sohn holte uns abends ab. Eine Bezahlung für die Fahrt lehnte er ebenso ab wie alle anderen, die uns in ihrem Auto beförderten. Auch Stefan und Familie entschieden sich, die Nacht im warmen Cartronhouse zu verbringen.

Am Dienstag brachte uns Larry im Jeep zurück zum Zigeunerwagen. Die Fahrt ging diesmal zum Lough Atorick. Dort zeigte Stefan dem Wallach, wer der Herr des Wohnwagens war: Er spannte Carlo aus und band ihn an einem Pfosten fest; danach konnten wir in Ruhe Kaffee trinken und uns am Seeufer entspannen. Besonders interessant waren hier - wie überhaupt während der Fahrten - für Elisabeth und mich die Vögel, die wir hörten und am Gesang zu erkennen suchten. Wir haben über 20 Vögel eindeutig erkannt. Rotkehlchen und Zaunkönige waren besonders häufig vertreten. Wir hörten am See aber auch den Sumpfrohrsänger und den Brachvogel; gerade letzterer gehört nicht mehr zu den häufigsten Vogelarten.

Auf dem Heimweg hatte es Carlo dann besonders eilig, was mir als schnellem Spaziergänger gut tat. Was das Tempo angeht, hat das Pferd mich auf diesem Abschnitt am meisten gefordert. Zur Belohnung für mich gab es abends im Zigeunerwagen Bratkartoffeln mit Mehlklößen - eine saarländische Spezialität, die Hanna mit Elisabeths Unterstützung vortrefflich zubereitet hat; und dazu ein irisches Guinness! Danach holte Ann Elisabeth und mich ab, weil wir natürlich wieder bei ihr übernachteten.

Am Mittwoch morgen brachte uns Ann zurück nach Woodford, wo wir die letzte Fahrt mit dem Zigeunerwagen antreten konnten.

Am frühen Nachmittag fing der Wagen plötzlich an, auf glatter Straße stark zu hoppeln. Die Lösung fand sich schnell: Ein "Platter" auf dem linken Hinterrad. Einen Ersatzreifen hatten wir nicht dabei. Aber ein Anruf bei Larry genügte: 15 Minuten später war er mit allem Werkzeug, dass er brauchte, da und wechselte mit Stefans Unterstützung den Reifen. Danach zog Carlo den Wagen - entgegen meiner Hoffnung - in gemächlichen Tempo zurück zur Cartronhouse Farm.

Dort trafen dann auch drei Engländerinnen ein, die am nächsten Tag zu einer Caravan Tour starten wollten. Stefan und mich ließen sie kalt; aber der kleine Nils war voll begeistert. Beim Abendessen drehte er sich nur dann zu uns, wenn er eine Gabel voll essen wollte. Ansonsten galt seine ganze Aufmerksamkeit den drei Damen. Früh übt sich wohl, ...

Nach dem Abendessen wartete Larry noch mit einer Überraschung auf: Ich hatte nach dem Reifenwechsel kurz mit ihm über Whiskey gesprochen. Jetzt hatte er eine Flasche dabei, damit wir die neue Sorte probieren konnten. Er selbst trinkt übrigens keine hochprozentigen Sachen.

Danach hieß es Abschied nehmen von Carlo. Larry nahm ihn mit auf seine Weide, wo er nach ein Paar Tagen Pause wieder eine andere Gruppe durchs Land ziehen darf.

Wir sahen Larry aber am Donnerstag noch einmal wieder. Zum einen musste er ja die Engländerinnen auf die Reise schicken - mit einem Pferd namens Charlie - zum anderen hatte er sich erboten, uns mitsamt unserem Gepäck nach Loughrea zu fahren, wo wir den Bus nach Galway nahmen.

Der Abschied von der Gegend, in der wir jetzt seit einer Woche weilten, fiel nicht leicht. Zum einen war es herrlich gewesen, immer an der frischen Luft zu sein; zum anderen hatten wir den meist geringen Verkehr und die Stille der Natur, die durch das Zwitschern der Vögel nur verschönt wurde, sehr genossen. Und Larry und Ann sowie die anderen Leute, die wir kennen gelernt hatten, hatten uns das Gefühl gegeben, bei Freunden zu sein, bei denen wir gut aufgehoben waren.

In Galway brachte uns ein Taxi zu einem b&b in unmittelbarer Nähe zum Strand. Zum Baden war es zu kalt, aber wir genossen bei einem kurzen Spaziergang sehr die gute Meeresluft, und die Kinder freuten sich über ein Paar Muscheln, die sie sammeln konnten.

Dann gingen wir in die Fußgängerzone und ließen die Atmosphäre dort auf uns wirken - und es gab ein riesiges Menü, das wir in einem Restaurant zu uns nahmen, das wie ein Schiff aufgebaut war. In einem nahegelegenen Pub konnten wir auch kurz irische Folklore live erleben.

Den Freitag Vormittag nutzten wir noch für letzte Souvenir-Einkäufe und ein gutes Mittagessen im gleichen Restaurant wie am Vortag. Danach brachte uns der 15:10-Uhr-Zug zurück nach Dublin, wo wir in dem b&b übernachteten, in dem wir auch die erste Nacht in Irland verbracht hatten.

Nach dem Frühstück am Samstag Morgen - ein letztes Mal Eier, Speck und Würstchen - bestiegen wir um 8:00 Uhr das Taxi, das uns zum Flughafen brachte. Um 10:10 Uhr hob unsere Maschine ab und brachte uns zurück nach Frankfurt.

Was bleibt sind viele, schöne Erinnerungen, etwa 3 Stunden "akustische Fotos" in Kunstkopfstereo auf Minidisk und das Versprechen, im nächsten Jahr wieder zu kommen.

Norbert Müller 17. Mai 2004
Hier geht's zur Auswahl meiner bisherigen "aktuellen Texte"
Zurück zur Hauptseite